Glücksmomente

Welch ein Tag!
Heute morgen wurd ich wach. Gut, das passiert häufiger, beinahe täglich sozusagen.
Aber heute war anders. Seit Wochen unrasiert, lustlos, antriebslos und unbefriedigt begann jeder Tag mit dem obligatorischen Blick aus dem Fenster. Alles Weiss, mit viel Glück mal grau. Meterhohe Schneeberge türmten sich vor meiner Einfahrt (die sich bei jeder Vorbeifahrt des Räumdienstes noch weiter erhöhten).
Wetter kann so depressionssteigernd sein.

Aber ich war ja vorbereitet: Sämtliche Ausgaben der Zeitschrift Motorrad der letzten Jahre warteten darauf erneut gelesen zu werden.
In der Stammkneipe litt man gemeinsam mit Gleichgesinnten.
Man schwelgte in Erinnerungen an bessereTage, den Duft von Benzin, Geschwindigkeit, CurrywurstPommesMajo am Treff. Das waren die Survivalmassnahmen jener Tage.

Ein paar Spassvögel liefen einem auch übern Weg.
„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“. Der Klopfer dieses Spruches landete kopfüber bis zum Hals in der nächsten Schneewehe. Meine Humorschwelle war in diesen Wintertagen kaum messbar.

Aber heute war anders:
Über Nacht hat eine höhere Macht meine Gebete erhört, meine Opfergaben angenommen, die Voodoopuppe von Väterchen Frost gewirkt.
Oder Christoph Daum hat ne Nachtschicht eingelegt und das ganze weisse Zeugs weggeschnupft.

Meine Augen leuchteten. Mir lief der Sabber aus dem Mundwinkel. Ich spürte eine freudige Erregung.
Irgendwo stand mein Motorrad. Ich hatte es geparkt bevor sich die Welt in eine Eiswüste verwandelte. Ich musste es nur noch suchen. Es war zu lange her.

Ich rannte auf den Balkon. Ich musste sicher gehen. Sommerliche 5 Grad Celsius ÜBER Null.
Mit zum Himmel gereckter Faust schrie ich ein befreiendes „Yippiejayeah Schweinebacke“ heraus.
Dass ich nur mit einer Boxershorts und flauschigen Motorradpantoffeln (gehören auch zum Wintersurvival-Kit) bekleidet war störte mich nicht im Geringsten. Meine Nachbarin, die mich mit einer Mischung aus Entsetzen, Unglauben und Mitleid ansah schon eher.

Doch Moment! Sind das Regenwolken am Horizont?
War das die Strafe für meine Blasphemie? Nein, diese Chance darf ich mir nicht entgehen lassen. Waschen, Zähneputzen fällt aus, keine Zeit. Echte Männer müssen stinken. Kombi, Helm , Handschuhe…
Alles für den Fall der Fälle schon griffbereit seit Wochen liegen. Die Prozedur im Geiste täglich wieder und wieder geübt. Und nun war es soweit. Windeseile ist total untertrieben. In LICHTGESCHWINDIGKEIT war ich bekleidet. Zündschlüssel! Wo ist der verfluchte Zündschlüssel?!?! Da!!!
Ich muss weg. Keine Zeit. Bis später. Kippen? Egal, Kann ich unterwegs kaufen.
Jetzt ist SAISONANFANG!!!!!!

Musste mal gesagt werden, woll!

Euer
Güntha ‚der Seemann‘ Koslowski