Welch ein Tag!
Samstag war mal wieder einer der in diesem Jahr seltenen niederschlagfreien Tage. Sieht man mal vom Kampf Klitschko gegen Peter ab.
Frühmorgens, so gegen 13 Uhr, sattel ich also mein Baby zur obligatorischen Eisdielenausfahrt.
An einem Dortmunder Boulevard, der gleichzeitig eine der Haupteinfallstrassen samstäglicher Einkaufswütiger darstellt, ließ ich mich im Schatten der Bäume nieder um dem Treiben der Menschen zuzusehen: Parkplatzkämpfe zwischen Corsa und Daimler. Pädagogische Gehversuche alleinerziehender Mütter bei ihren Kleinkindern. Männer, die ihre besseren Hälften mit schmerzverzerrtem Gesicht in Schuhläden begleiten, in der Hoffnung, als Belohnung wenigstens die Sportschau in Ruhe gucken zu können, während sie das Schuhregal zum 20. Mal umräumt.
Oh ja, das Leben kann schön sein.
Ein Becher Eis mit so leckeren Sorten wie Kürbiskern-Krokant, Milchreis-Zimt und Butterkeks sorgte dafür, daß mir auch im Mund nicht langweilig wurde.
Wie ich mich so meines Daseins freute und mein Eis genoss, wurde meine Aufmerksamkeit immer wieder von einem unregelmässigen Blitzen abgelenkt. Ein Blitzen, welches den sofortigen Tachoblick und ein schlechtes Gewissen auslöst.
Direkt gegenüber der Eisdiele versperrte ein unscheinbarer blauer Wagen wertvollen Parkraum um teure Fotos zu schiessen…
… und was noch schlimmer wog: mich in meinem Eisgenuss zu stören.
Da an Ruhe nicht mehr zu denken war – ‚BLITZ‘ – entschloss ich mich, die Sache mal aus der Nähe zu betrachten.
Gemütlich rüber geschlendert und durch die Heckscheibe einen Blick auf die Anlage geworfen.
Kann man auch nicht oft, meist bin ich ja zu schnell an den Automaten vorbei um sie mir richtig ansehen zu können.
In dem Moment stürmt eine Handy schwingende Furie aus der Fahrgastzelle und pöbelt mich an, sie könne auch die Grünen rufen!
WOW, sollte ich ihr zu der Leistung nun gratulieren? Ist das beim Ordnungsamt so, dass man, wenn man des Telefonierens mächtig ist, schon zur Haute Volée dieser Behörde zählt? Oder hat man ihr nur erfolgreich erklärt, wie sie auf Wahlwiederholung zu drücken hat? Ist dieses Jahr im Übrigen sehr beliebt in Dortmund.
Während ich noch über den tieferen Sinn ihrer Aussage nachdachte, wurde ich von einem weiteren ‚BLITZ‘ geblendet.
Bei Frauen in Rage ist man besser vorsichtig, deshalb antwortete ich ausweichend: „die Grünen?“
„Die PO-LI-ZEI“
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht während ich mich bemühte die Zweideutigkeit meiner Aussage zu betonen: „Sind die nicht blau?“
Während ich mich schon sorgte ob der humorvolle Anspruch meiner Aussage überhaupt bei der Adressatin ankam, oder ob ich Perlen vor die Sau geworfen hatte, erkannte ich an ihrem zornesroten Gesicht, dass die Pointe doch noch bis zu ihr durchgedrungen war.
Meine Laune begann sich zu bessern.
„Wenn sie solange hier bleiben, bis die kommen rufe ich an!“
Musste diese Frau schon mit Ordnungshütern drohen, damit ein Mann bei ihr blieb? Ich musterte sie eindringlich von oben bis unten, und kam zu dem Ergebnis, das ich mir das durchaus vorstellen konnte.
Meine Musterung war wohl zu unverhohlen, denn immer noch wutentbrannt rettete sie sich in die einsame Sicherheit ihres blauen Foto-Autos.
Schade. Mir fing es grad an, Spaß zu machen.
Ich kehrte ihr und dem Abzockmobil also den Rücken und wandte mich erneut dem Boulevard zu als ein weiteres ‚BLITZ‘ mich auf eine tolle Idee und ein Lächeln auf meine Lippen brachte.
„Jeden Tag eine gute Tat“ – so steht es schon in der Bibel (oder sonst wo, ich weiß das nicht mehr so genau). Meine Gute Tat für diesen Tag war, die Verkehrsteilnehmer daran zu erinnern, dass es sich hier um eine Tempo-30-Zone handelt.
Ich stellte mich also ein gutes Stück die Strasse abwärts (damit sich meine Ordnungsamtstelefonistin nicht von mir bedrängt fühlte) und winkte den motorisierten Verkehrsteilnehmern fröhlich zu.
Wie herzlich es doch im Strassenverkehr zugehen kann: viele wurden langsamer um mir zurückzuwinken. Alle hatten ein freundliches Lächeln für mich übrig, einige reckten mir den Daumen entgegen und wollten mir wohl einen schönen Tag wünschen, ja es hielten sogar welche an, um mich für meine Idee zu loben. Und keiner fuhr mehr zu schnell! Was so ein Blitzer nicht erreichen kann, ich schaffte das! Alle hielten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Wie weit man doch mit Freundlichkeit kommt.
Ich wollte mir grade selber auf die Schulter klopfen, als das jemand anderes tat und mir dabei gleich einen „Ordnungsamtsausweis“ direkt unter die Nase hielt.
„Igitt“ fuhr es mir durch den Kopf „ist das ein Lichtbild oder zum Kindererschrecken?!“ Als der Ausweis gekonnt und elegant weggezogen und in der Hosentasche verstaut wurde (ich schwör, ich hab in dem Moment an Lucky Luke denken müssen!) musste ich zugeben, dass das Lichtbild sehr genau der Realität entsprach. Den Würgreiz konnt ich eben noch unterdrücken.
„Sie behindern eine amtliche Messung!“ warf mir die zweite Knalltüte, die Quasimodo wohl zur Verstärkung mitgebracht hatte, entgegen.
…
…
Ich wartete, ob diese beiden Heinis sich auch damit brüsten wollten, dass sie telefonieren könnten, aber dem war anscheinend nicht so.
„Wieso?“
„Sie warnen die Autofahrer!“
„Stimmt nicht“ (ich warnte nämlich auch die Motorradfahrer)
„Sie winken!“
„Richtig“
„Also behindern sie den Strassenverkehr!“
„Auf den Paragraphen bin ich gespannt, in dem steht, dass Winken den Strassenverkehr beeinträchtigt“
„Sie behindern eine amtliche Messung“
Aha, so viele Argumente hatten die beiden dann doch nicht, denn jetzt fing der Reigen schon wieder von vorne an. Ich spielte mit:
„Wieso?“
Da gelang Quasimodo der Ausbruch aus der drohenden Endlosschleife.
„Unsere Kollegin hat uns angerufen!“
„Da hat sie sich wohl verwählt“
Verwirrte Blicke. Aber ich konnte noch einen drauf setzen:
„Wahrscheinlich hat sie euch gerufen, weil ich nicht bei ihr bleiben wollte“
Fragezeichen hüpften um die Stirn von Quasimodos Kollegen.
„Sie hat uns angerufen, weil sie die Messung nicht durchführen kann.“
„Und, konntet ihr helfen?“ Nicht, dass es mich wirklich interessierte, ich wollte einfach höflich sein.
„Wenn sie nicht augenblicklich aufhören, die Messung zu behindern, rufen wir die Polizei!“
„Ich behindere nicht die Messung, ich halte meine Mitverkehrsteilnehmer an, ordnungsgemäss zu fahren. In meinen Augen ein vorbildliches Verhalten.“
Damit war das Gespräch (während dem ich im Übrigen die ganze Zeit weiter fröhlich gewunken habe) dann beendet und die beiden Hilfssheriffs trollten sich zu ihrer Kollegin. Der eine hielt noch verschwörerisch sein Handy ans Ohr und blickte strafend zu mir herüber.
Doch auch zehn Minuten später tauchte noch keine grüne Minna auf, die mich aufgrund der Straftat des fröhlichen Winkens verhaftete.
Da wurde es der guten Dame wohl doch zu langweilig. Sie startete ihr Gefährt und drehte auf der Strasse um mir im Vorbeifahren noch Worte zuzurufen, die sich für eine städtische Angestellte nicht geziemen und nur durch tiefsitzenden Frust ansatzweise entschuldbar sind. Ich überlegte noch kurz, ob ich der jungen Frau nicht zu ihrem nächsten Einsatz folgen soll, aber dachte dann an die weisen Worte meines Navis:
SIE HABEN IHR ZIEL ERREICHT!
Und die Moral von der Geschichte?
Ruhig mal 5 Minuten Zeit opfern, um anderen Gutes zu tun. Es wird gedankt, man fühlt sich gleich besser und vielleicht profitiert man ja selber mal davon.
Ach ja, und man kann das Ordnungsamt prima ärgern!!!
Musste mal gesagt werden, woll!
Euer
Güntha ‚der Seemann‘ Koslowski